Digitalisierung @ Sparkasse – es bewegt sich was!

9:00 Uhr morgens in einer Gasse in Erfurt, 3 Minuten vom Bahnhof entfernt. Wenn man in die dunkle Gasse einbiegt, fragt man sich unwillkürlich: Hier soll der Kickoff der #DigitalScouts Initiative der Sparkasse stattfinden?

Die Gasse war schon mal Kulisse in einem Tatort, und in dieser Gasse sitzt Erfurts Coworking-Space, das KrämerLoft. Der Laden sieht aus, wie man es von einem Coworkingspace erwartet: Nackte Ziegelwände, offene Holzbalken, Kabel hängen von der Decke, WLAN läuft, Kaffee auch. Kreativer Platz für kreative Köpfe, aber diesmal abseits der großen Startup-Zentren. Vor nicht allzu langer Zeit durfte ich die Gründer-Atmosphäre abseits der Berliner Pfade schon bei unserem ersten Digital Workplace Meetup in OWL bei der Founders Foundation in Bielefeld erleben, jetzt schließt sich Erfurt an.

Warum eigentlich Sparkasse, und warum eigentlich hier? Die Geschichte beginnt 2012 am Berliner Spittelmarkt. Der Ostdeutsche Sparkassenverband – schon länger bekannt als Vorreiter, wenn es um digitale Themen geht – will neue Formen der Zusammenarbeit erproben: offene Kommunikation und transparente Prozesse sind das Ziel. Erster Schritt: Interne Vernetzung über Abteilungs- und Hierarchiegrenzen hinweg ermöglichen mit einem Enterprise Social Network. Mit OSV-CONNET entsteht eine Plattform für die digitale Transformation des Verbands. Der Verband verprobt neue Arbeitsweisen, die Sparkassen lernen davon. Ein bekanntes Beispiel ist die OstseeSparkasse Rostock, deren Vorstand das Thema frühzeitig als entscheidenden Erfolgsfaktor identifiziert hat: Weniger Hierarchie, vernetztes Arbeiten, geteiltes Wissen.

Digitale Transformation ist kein Projekt. Es ist ein Prozess. Eigentlich eine Binsenweisheit. Auch das Wort “Digital” führt gerne in die Irre, meist verwechseln gerade mittelständische Kunden Digitalisierung mit Technisierung und rüsten einfach alle Mitarbeiter mit iPads aus. Aber hinter dem Wandel stehen Menschen, und Verhalten ändert sich nur sehr sehr langsam. Kommunikation ist entscheidendes Element, neue Arbeitsmethoden müssen erlebbar gemacht werden, die Frage nach dem “Warum” und dem “Wozu” muss für alle Mitarbeiter verständlich beantwortet werden.

Im Jahr 2016 haben wir daher zum ersten Mal die #FTDT16, in amtsdeutsch “Fachtagung Digitale Transformation” bei der Nordostdeutschen Sparkassenakademie durchgeführt. Ziel: Die Treiber der Digitalisierung in der Sparkassenfinanzgruppe zum Austausch zusammenbringen, Inspiration von außen liefern, neue Arbeitsmethoden erproben und Erfolgsstorys teilen. Hier lernten neugierige Sparkässler, was es vor allem braucht, um Veränderung voranzutreiben: Mut! Interne Disruptionsteams, die wochenlang freigestellt werden, um die eigenen Services zu torpedieren? Gibt es bei der Sparkasse Paderborn. Kooperation mit Crowdfunding-Plattform statt Abwehr alternativer Finanzierungsformen? Gibt es bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden. Interne soziale Netzwerke ersetzen e-Mail-Kaskaden und sorgen für offenen Wissensaustausch? Gibt es bei der OstseeSparkasse.


Ein Jahr später sind viele weitere Sparkassen aufgebrochen. Auf der Folgeveranstaltung, der #FTDT17,  berichten sie von Employer Branding Maßnahmen, Quizduell Apps für schnelle Lernhäppchen, flexiblen Organisationsformen und Kooperationen mit Fintechs. Mutige Vorreiter wagen sich an Themen wie “Working Out Loud“, einer strukturierten Peer-Coaching-Methode, um Mitarbeitern den Einstieg in die vernetzte, offene Zusammenarbeit zu erleichtern.

 

Es ist etwas in Bewegung. “Zu spät” rufen dann viele und zeigen auf den viel zu langen Tiefschlaf beim Thema Zahlungsverkehr – Paypal läßt grüßen – und die verkrustete Struktur der Gruppe, die Abhängigkeit vom schwerfälligen zentralen Dienstleister Finanzinformatik, und so viele andere hausgemachte Probleme. Für einige Sparkassen bedeutet dies leider immer noch: Lieber Weitermachen wie bisher, das mit der Digitalisierung wird schon vorbeigehen. Andere sehen es als Herausforderung. Und die Veränderungsbereiten werden mehr.

Diese Geschichte führt in direkter Linie in das KrämerLoft in jenen Erfurter Hinterhof, in den man sich sonst bei Dämmerung lieber nicht hinwein wagen würde. 25 Mitarbeiter der Sparkasse Mittelthüringen haben sich beworben und sind als digitale Pfadfinder eingeladen worden. Sie sitzen ohne Anzug und Krawatte auf Holzdrehstühlen unter dem Sichtdach des Krämerloft, aus den Lochblechen baumeln die Stromkabel, an denen sonst die Laptops mit Strom versorgt werden, und sie lernen, was ein World Cafe ist und wie moderne Besprechungsmethoden Kreativität freisetzen kann. Die 25 “Digital Scouts”, wie sie genannt werden, wollten schon lange etwas bewegen, viele haben kein Gehör gefunden. Als der Aufruf kam, die Zukunft der Sparkasse Mittelthüringen zu prägen, haben sie ihre Bewerbung abgegeben, sie haben davon erzählt, warum gerade sie die Digitalisierung als Chance begreifen, und sie wollen: Machen! Heute sprechen wir offen über scheinbar banale Regeln wie die Kleiderordnung, über mobiles Arbeiten, ein neues Führungsverständnis, aber auch über neue Produkte und Services, entschlackte Prozesse und vor allem offene, angstfreie Kommunikation.

 

Vorstand Hans-Georg Dorst fordert seine Digital Scouts auf: Scheuklappen ablegen, offene Worte finden, neue Ideen voranbringen. Der Sparkasse Mittelthüringen geht es zwar gut, aber es wird nicht immer so weitergehen. In der zunehmenden Dynamik des Umfelds zu bestehen, wird eine immer größere Herausfordern. Das geht nicht mit “weiter so wie bisher”, so sein Appell. Das klingt sehr nach Dieter Zetsche auf dem Podium der DigitalLifeDay, an dem ich in der letzten Woche mitwirken durfte: Uns geht es gut, unsere Produkte sind beliebt, unsere Ergebnisse sind hervorragend: Warum sollen wir nicht weitermachen wie bisher?

Die Sparkasse Mittelthüringen will im Jahr 2021 ihren 200. Geburtstag feiern. Bis dahin wird sie sich vielleicht neu erfinden. Die digitalen Pfadfinder sind der erste wichtige Schritt, um den Wandel zu initiieren.

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