Wenn Hierarchien Fehler begünstigen

Kluger Copilot
Kluger Copilot – Zur Fehlervermeidung allerdings ungeeignet


In der Print-Ausgabe der FAZ vom 3. August fragt sich Jan Hagen, Professor an der ESMT in Berlin, warum Fehler in Unternehmen oft zu lange ihre Wirkung entfalten können. Wesentliche Erkenntnis: Hierarchien stehen einem positiven Umgang mit Fehlern und deren Vermeidung im Weg.

Aus der Welt der leanen Startups entlehnt lautet das kontrovers diskutierte Mantra agiler Unternehmen heute: „Fail fast, fail often“. Mache Fehler, scheitere, lerne, stehe wieder auf, mache es besser. Aber mache den selben Fehler nie zweimal.

Warum gerade klassische Hierarchien Fehler begünstigen, zeigt eine Analogie aus der Luftfahrtbranche: Analysen von Flugunfällen in den 80er Jahren durch die FAA (US Federal Aviation Administration) und das National Aviation Transportation Board (NTSB) kamen zu einem erstaunlichen Schluss: Bei über 80% der Flugunfälle war der verantwortliche Mann am Steuerhorn der Pilot und nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, der (nicht immer) unerfahrenere Copilot. Hauptgrund für diese Erkenntnis: Das Hierarchie-Gefälle zwischen Pilot und Co-Pilot:

Kapitäne hatten Fehler oder Fehlentscheidungen ihres Copilots stets und ohne weiteres korrigiert, umgekehrt war es ungleich schwieriger, wenn nicht unmöglich gewesen.

Aus dieser Erkenntnis heraus wurde das sogenannte Crew-Ressource-Management-Konzept (CRM) entwickelt, das die Zusammenarbeit im Cockpit unabhängig von der hierarchischen Position unterstützen sollte. Insbesondere sollte die offene Diskussion zu Entscheidungen gefördert werden.

Wer heute Projekte im Bereich Enterprise 2.0 begleitet, dem dürfte dies bekannt vorkommen. Auch die damalige Reaktion der Kapitäne ist vorhersehbar: Das „Psychogeschwätz“ im Cockpit wurde als Angriff auf die Autorität gesehen und die Verhaltensänderungen dauerte ein Jahrzehnt. Erst dann wurde erkannt, wie wertvoll offene Kommunikation für Fehlerbehandlung und Lernen aus Fehlern ist.

Man muss nicht gleich Konzepte wie Holocracy bemühen und das Ende der Hierarchie verkünden, um eine neue Fehlerkultur zu etablieren. Wichtig ist, dass eine Atmosphäre der Angst und Sanktionen den offenen Umgang mit Fehlern verhindert. Cross Checks oder das Einholen einer zweiten Meinung darf nicht als Anzeichen von Schwäche verstanden werden. Das Grundverständnis, dass jeder Fehler macht, dass darüber gesprochen werden kann und man daraus gemeinsam lernt, fehlt häufig im klassischen Management.

Interne soziale Netzwerke und neue Methoden der offenen Kommunikation wie das Konzept von Working Out Loud (#WOL) sollen die “technische” Grundlage dafür schaffen, dass nicht nur im Cockpit, sondern auch unternehmensweit hierarchiefrei und offen miteinander kommuniziert werden kann. Die technischen Grundlagen und die organisatorischen Methoden dafür sind verfügbar – der Wandel in den Köpfen dauert aber noch an.

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